Biblia (Band 1) Das ist: Die ganze Heylige Schrifft, Teutsch. D. Mart.Luth. Sampt einem Register / Summarien über alle Capitel / und schönen Figuren

Gedruckt in Frankfurt am Mayn bei Georg Rab für W. Han (Erben) und Sigmund Feyerabend, 1570

Hiob 9

5Er versetzt Berge, ehe sie es innewerden, die er in seinem Zorn umkehrt. 6Er bewegt die Erde aus ihrem Ort, dass ihre Pfeiler zittern. 7Er spricht zur Sonne, so geht sie nicht auf, und versiegelt die Sterne. 8Er breitet den Himmel aus allein und geht auf den Wogen des Meeres. (Jes. 40,22) 9Er macht den Wagen am Himmel und Orion und die Plejaden und die Sterne gegen Mittag. (Hiob 38,31; Amos 5,8; Jes. 13,10) 10Er tut große Dinge, die nicht zu erforschen sind, und Wunder, deren keine Zahl ist. (Hiob 5,9)

11Siehe, er geht an mir vorüber, ehe ich's gewahr werde, und wandelt vorbei, ehe ich's merke. 12Siehe, wenn er hinreißt, wer will ihm wehren? Wer will zu ihm sagen: Was machst du? 13Er ist Gott; seinen Zorn kann niemand stillen; unter ihn mussten sich beugen die Helfer Rahabs. (Hiob 26,12) 14Wie sollte ich denn ihm antworten und Worte finden gegen ihn? 15Wenn ich auch recht habe, kann ich ihm dennoch nicht antworten, sondern ich müsste um mein Recht flehen.

16Wenn ich ihn schon anrufe und er mir antwortet, so glaube ich doch nicht, dass er meine Stimme höre. 17Denn er fährt über mich mit Ungestüm und macht mir der Wunden viel ohne Ursache. 18Er lässt meinen Geist sich nicht erquicken, sondern macht mich voll Betrübnis. 19Will man Macht, so ist er zu mächtig; will man Recht, wer will mein Zeuge sein? (Hiob 9,33) 20Sage ich, dass ich gerecht bin, so verdammt er mich doch; bin ich unschuldig, so macht er mich doch zu Unrecht.

21Ich bin unschuldig! ich frage nicht nach meiner Seele, begehre keines Lebens mehr. 22Es ist eins, darum sage ich: Er bringt um beide, den Frommen und den Gottlosen. (Hiob 8,20; Pred. 9,2-3) 23Wenn er anhebt zu geißeln, so dringt er alsbald zum Tod und spottet der Anfechtung der Unschuldigen. 24Das Land aber wird gegeben unter die Hand des Gottlosen, und der Richter Antlitz verhüllt er. Ist's nicht also, wer anders sollte es tun?

25Meine Tage sind schneller gewesen denn ein Läufer; sie sind geflohen und haben nichts Gutes erlebt. 26Sie sind dahingefahren wie die Rohrschiffe, wie ein Adler fliegt zur Speise. 27Wenn ich gedenke: Ich will meiner Klage vergessen und meine Gebärde lassen fahren und mich erquicken, – 28so fürchte ich alle meine Schmerzen, weil ich weiß, dass du mich nicht unschuldig sein lässest. 29Ich muss ja doch ein Gottloser sein; warum mühe ich mich denn so vergeblich? 30Wenn ich mich gleich mit Schneewasser wüsche und reinigte meine Hände mit Lauge, 31so wirst du mich doch tauchen in Kot, und werden mir meine Kleider gräulich anstehen.

32Denn er ist nicht meinesgleichen, dem ich antworten könnte, dass wir vor Gericht miteinander kämen. 33Es ist zwischen uns kein Schiedsmann, der seine Hand auf uns beide lege. 34Er nehme von mir seine Rute und lasse seinen Schrecken von mir, 35dass ich möge reden und mich nicht vor ihm fürchten dürfe; denn ich weiß, dass ich kein solcher bin.

Hiob 10

Fortsetzung: Hiob klagt, dass Gott sein Geschöpf so schwer heimsuche.

1Meine Seele verdrießt mein Leben; ich will meiner Klage bei mir ihren Lauf lassen und reden in der Betrübnis meiner Seele 2und zu Gott sagen: Verdamme mich nicht! lass mich wissen, warum du mit mir haderst. 3Gefällt dir's, dass du Gewalt tust und mich verwirfst, den deine Hände gemacht haben, und bringst der Gottlosen Vornehmen zu Ehren? 4Hast du denn auch fleischliche Augen, oder siehst du, wie ein Mensch sieht? (1.Sam. 16,7) 5Oder ist deine Zeit wie eines Menschen Zeit, oder deine Jahre wie eines Mannes Jahre? 6dass du nach meiner Missetat fragest und suchest meine Sünde, 7so du doch weißt, wie ich nicht gottlos sei, so doch niemand ist, der aus deiner Hand erretten könne.

8Deine Hände haben mich bereitet und gemacht alles, was ich um und um bin; und du wolltest mich verderben? (Ps. 139,14) 9Gedenke doch, dass du mich aus Lehm gemacht hast; und wirst mich wieder zu Erde machen? (Hiob 33,6; 1.Mose 2,7; 1.Mose 3,19) 10Hast du mich nicht wie Milch hingegossen und wie Käse lassen gerinnen? 11Du hast mir Haut und Fleisch angezogen; mit Gebeinen und Adern hast du mich zusammengefügt.

Text der Luther-Übersetzung (1912) von Hiob 9, 5 bis Hiob 10, 11

Biblia (Band 1) Das ist: Die ganze Heylige Schrifft, Teutsch. D. Mart.Luth. Sampt einem Register / Summarien über alle Capitel / und schönen Figuren

Gedruckt in Frankfurt am Mayn bei Georg Rab für W. Han (Erben) und Sigmund Feyerabend, 1570