Biblia (Band 1) Das ist: Die ganze Heylige Schrifft, Teutsch. D. Mart.Luth. Sampt einem Register / Summarien über alle Capitel / und schönen Figuren

Gedruckt in Frankfurt am Mayn bei Georg Rab für W. Han (Erben) und Sigmund Feyerabend, 1570

Hiob 28

10Man reißt Bäche aus den Felsen; und alles, was köstlich ist, sieht das Auge. 11Man wehrt dem Strome des Wassers und bringt, das darinnen verborgen ist, ans Licht. (Hiob 28,25) 12Wo will man aber die Weisheit finden? und wo ist die Stätte des Verstandes?

13Niemand weiß, wo sie liegt, und sie wird nicht gefunden im Lande der Lebendigen. 14Die Tiefe spricht: „Sie ist in mir nicht“; und das Meer spricht: „Sie ist nicht bei mir“. 15Man kann nicht Gold um sie geben noch Silber darwägen, sie zu bezahlen. (Spr. 3,14-15; Spr. 8,10-11) 16Es gilt ihr nicht gleich ophirisch Gold oder köstlicher Onyx und Saphir. (1.Kön. 9,28) 17Gold und Glas kann man ihr nicht vergleichen noch um sie golden Kleinod wechseln. 18Korallen und Kristall achtet man gegen sie nicht. Die Weisheit ist höher zu wägen denn Perlen. 19Topas aus Mohrenland wird ihr nicht gleich geschätzt, und das reinste Gold gilt ihr nicht gleich. (2.Mose 28,17) 20Woher kommt denn die Weisheit? und wo ist die Stätte des Verstandes?

21Sie ist verhohlen vor den Augen aller Lebendigen, auch verborgen den Vögeln unter dem Himmel. 22Der Abgrund und der Tod sprechen: „Wir haben mit unseren Ohren ihr Gerücht gehört.“ 23Gott weiß den Weg dazu und kennt ihre Stätte. (Spr. 8,22-31) 24Denn er sieht die Enden der Erde und schaut alles, was unter dem Himmel ist. 25Da er dem Winde sein Gewicht machte und setzte dem Wasser sein gewisses Maß; (Hiob 26,10) 26da er dem Regen ein Ziel machte und dem Blitz und Donner den Weg: 27da sah er sie und verkündigte sie, bereitete sie und ergründete sie 28und sprach zum Menschen: Siehe, die Furcht des HErrn, das ist Weisheit; und meiden das Böse, das ist Verstand. (Ps. 111,10; Spr. 1,7)

Hiob 29

Hiobs früheres Glück.

1Und Hiob hob abermals an seine Sprüche und sprach:

2O dass ich wäre wie in den vorigen Monden, in den Tagen, da mich Gott behütete; 3da seine Leuchte über meinem Haupt schien und ich bei seinem Licht in der Finsternis ging; (Ps. 18,29) 4wie ich war in der Reife meines Lebens, da Gottes Geheimnis über meiner Hütte war; (Ps. 25,14) 5da der Allmächtige noch mit mir war und meine Kinder um mich her; 6da ich meine Tritte wusch in Butter und die Felsen mir Ölbäche gossen;

7da ich ausging zum Tor in der Stadt und mir ließ meinen Stuhl auf der Gasse bereiten; 8da mich die Jungen sahen und sich versteckten, und die Alten vor mir aufstanden; 9da die Obersten aufhörten zu reden und legten ihre Hand auf ihren Mund; 10da die Stimme der Fürsten sich verkroch und ihre Zunge an ihrem Gaumen klebte! 11Denn wessen Ohr mich hörte, der pries mich selig; und wessen Auge mich sah, der rühmte mich.

12Denn ich errettete den Armen, der da schrie, und den Waisen, der keinen Helfer hatte. (3.Mose 19,18; 2.Mose 22,20-21) 13Der Segen des, der verderben sollte, kam über mich; und ich erfreute das Herz der Witwe. 14Gerechtigkeit war mein Kleid, das ich anzog wie einen Rock; und mein Recht war mein fürstlicher Hut. 15Ich war des Blinden Auge und des Lahmen Fuß. 16Ich war ein Vater der Armen; und die Sache des, den ich nicht kannte, die erforschte ich. (Hiob 31,18) 17Ich zerbrach die Backenzähne des Ungerechten und riss den Raub aus seinen Zähnen. (Ps. 58,7) 18Ich gedachte: „Ich will in meinem Nest ersterben und meiner Tage viel machen wie Sand.“ 19Meine Wurzel war aufgetan dem Wasser, und der Tau blieb über meinen Zweigen. 20Meine Herrlichkeit erneute sich immer an mir, und mein Bogen ward immer stärker in meiner Hand.

21Sie hörten mir zu und schwiegen und warteten auf meinen Rat. 22Nach meinen Worten redete niemand mehr, und meine Rede troff auf sie. 23Sie warteten auf mich wie auf den Regen und sperrten ihren Mund auf als nach dem Spätregen. 24Wenn ich mit ihnen lachte, wurden sie nicht zu kühn darauf; und das Licht meines Angesichts machte mich nicht geringer. 25Wenn ich zu ihrem Geschäft wollte kommen, so musste ich obenan sitzen und wohnte wie ein König unter Kriegsknechten, da ich tröstete, die Leid trugen.

Text der Luther-Übersetzung (1912) von Hiob 28, 10 bis Hiob 29, 25

Biblia (Band 1) Das ist: Die ganze Heylige Schrifft, Teutsch. D. Mart.Luth. Sampt einem Register / Summarien über alle Capitel / und schönen Figuren

Gedruckt in Frankfurt am Mayn bei Georg Rab für W. Han (Erben) und Sigmund Feyerabend, 1570