Biblia (Band 1) Das ist: Die ganze Heylige Schrifft, Teutsch. D. Mart.Luth. Sampt einem Register / Summarien über alle Capitel / und schönen Figuren

Gedruckt in Frankfurt am Mayn bei Georg Rab für W. Han (Erben) und Sigmund Feyerabend, 1570

Hiob 6

Hiobs erste Antwort an Elifas.

1Hiob antwortete und sprach:

2Wenn man doch meinen Unmut wöge und mein Leiden zugleich in die Waage legte! 3Denn nun ist es schwerer als Sand am Meer; darum gehen meine Worte irre. 4Denn die Pfeile des Allmächtigen stecken in mir: derselben Gift muss mein Geist trinken, und die Schrecknisse Gottes sind auf mich gerichtet. (Ps. 38,3) 5Das Wild schreit nicht, wenn es Gras hat; der Ochse blökt nicht, wenn er sein Futter hat. 6Kann man auch essen, was ungesalzen ist? Oder wer mag kosten das Weiße um den Dotter? 7Was meine Seele widerte anzurühren, das ist meine Speise, mir zum Ekel.

8O, dass meine Bitte geschähe und Gott gäbe mir, was ich hoffe! 9Dass Gott anfinge und zerschlüge mich und ließe seine Hand gehen und zerscheiterte mich! 10So hätte ich noch Trost – und wollte bitten in meiner Krankheit, dass er nur nicht schonte –, habe ich doch nicht verleugnet die Reden des Heiligen.

11Was ist meine Kraft, dass ich möge beharren? und welches ist mein Ende, dass meine Seele geduldig sein sollte? 12Ist doch meine Kraft nicht steinern und mein Fleisch nicht ehern. 13Habe ich doch nirgend Hilfe, und mein Vermögen ist dahin.

14Wer Barmherzigkeit seinem Nächsten weigert, der verlässt des Allmächtigen Furcht. 15Meine Brüder trügen wie ein Bach, wie Wasserströme, die vergehen, (Ps. 38,12) 16die trübe sind vom Eis, in die der Schnee sich birgt: 17zur Zeit, wenn sie die Hitze drückt, versiegen sie; wenn es heiß wird, vergehen sie von ihrer Stätte. 18Die Reisezüge gehen ab vom Wege, sie treten aufs Ungebahnte und kommen um; 19die Reisezüge von Thema blickten nach ihnen, die Karawanen von Saba hofften auf sie: (1.Mose 25,15; Hiob 1,15) 20aber sie wurden zu Schanden über ihrer Hoffnung und mussten sich schämen, als sie dahin kamen. 21So seid ihr jetzt ein Nichts geworden, und weil ihr Jammer sehet, fürchtet ihr euch. 22Habe ich auch gesagt: Bringet her und von eurem Vermögen schenket mir 23und errettet mich aus der Hand des Feindes und erlöset mich von der Hand der Gewalttätigen?

24Lehret mich, so will ich schweigen; und was ich nicht weiß, darin unterweiset mich. 25Warum tadelt ihr rechte Rede? Wer ist unter euch, der sie strafen könnte? 26Gedenket ihr, Worte zu strafen? Aber eines Verzweifelnden Rede ist für den Wind. 27Ihr fielet wohl über einen armen Waisen her und grübet eurem Nächsten Gruben. 28Doch weil ihr habt angehoben, sehet auf mich, ob ich vor euch mit Lügen bestehen werde. 29Antwortet, was recht ist; meine Antwort wird noch recht bleiben. 30Ist denn auf meiner Zunge Unrecht, oder sollte mein Gaumen Böses nicht merken?

Hiob 7

1Muss nicht der Mensch immer im Streit sein auf Erden, und sind seine Tage nicht wie eines Tagelöhners? (Hiob 14,6) 2Wie ein Knecht sich sehnet nach dem Schatten und ein Tagelöhner, dass seine Arbeit aus sei, 3also habe ich wohl ganze Monden vergeblich gearbeitet, und elender Nächte sind mir viel geworden. 4Wenn ich mich legte, sprach ich: Wann werde ich aufstehen? Und der Abend ward mir lang; ich wälzte mich und wurde des satt bis zur Dämmerung. 5Mein Fleisch ist um und um wurmig und kotig; meine Haut ist verschrumpft und zunichte geworden. 6Meine Tage sind leichter dahingeflogen denn eine Weberspule und sind vergangen, dass kein Aufhalten dagewesen ist. (Jes. 38,12)

7Gedenke, dass mein Leben ein Wind ist und meine Augen nicht wieder Gutes sehen werden. 8Und kein lebendiges Auge wird mich mehr schauen; sehen deine Augen nach mir, so bin ich nicht mehr. 9Eine Wolke vergeht und fährt dahin: also, wer in die Hölle hinunterfährt, kommt nicht wieder herauf 10und kommt nicht wieder in sein Haus, und sein Ort kennt ihn nicht mehr. (Hiob 10,21; Hiob 14,10-12; Hiob 16,22; Ps. 103,16)

Text der Luther-Übersetzung (1912) von Hiob 6, 1 bis Hiob 7, 10

Biblia (Band 1) Das ist: Die ganze Heylige Schrifft, Teutsch. D. Mart.Luth. Sampt einem Register / Summarien über alle Capitel / und schönen Figuren

Gedruckt in Frankfurt am Mayn bei Georg Rab für W. Han (Erben) und Sigmund Feyerabend, 1570